01.12.2023
Ein verheißenes Land
Teil 1 der Biografie des 44. Präsidenten der USA
von Barack Obama
„Ein verheißenes Land“ ist der erste Teil von Barack Obamas Autobiographie. Es beschreibt seinen Werdegang zum mächtigsten Mann der Welt und gibt spannende Einblick in die schwierigsten und folgenreichsten Entscheidungen seiner ersten Amtszeit. Dabei wirft es ein spannendes Licht auf die Überlegungen, die hinter seinen weitreichendsten Handlungen stehen.
Illustration for the post.

„Ein verheißenes Land“ (im englischen Original „A Promised Land“) ist der erste Teil der Autobiografie von Barack Obama. Dieses Werk gewährt dem Leser einen tiefen Einblick in den Werdegang des ersten nicht-weißen Präsidenten der USA.

Für mich besonders fesselnd sind die detaillierten Schilderungen der Überlegungen und Prozesse, die zu den bedeutendsten Entscheidungen seiner Amtszeit geführt haben. Dazu gehören die Rettungsaktionen für Banken und Unternehmen während der Wirtschaftskrise 2008, die Einführung einer neuen Krankenversicherung – bekannt als „Obamacare“ – und die Eliminierung von Osama Bin Laden.

Obama selbst beschreibt sein Handeln als getrieben vom tiefen Glauben an den amerikanischen Traum und das Versprechen, auf dem Amerika gegründet wurde. Im Buch zeigt er immer wieder die Notwendigkeit von Kompromissen auf und erklärt, wie Meinungsverschiedenheiten zwischen Menschen überbrückt werden können, um bedeutende Veränderungen herbeizuführen.

Die Anfänge

Obamas Pfad änderte sich maßgeblich, als er vom durchschnittlichen Schüler zum neugierigen Bücherwurm wird. Frustriert von der reinen Theorie im Studium an einer Eliteuniversität entschließt er sich, praktische Taten folgen zu lassen und wird zum Community Organizer in einem Chicagoer Problemviertel.

Aber auch hier kann er für seinen Geschmack zu wenig bewirken, da er nur für eine kleine Gruppe von Menschen, die er betreut, etwas verbessern kann. Deshalb entschließt er sich schon früh als State Senator, grob vergleichbar mit einem österreichischen Landtagsabgeordneten, in die Politik zu gehen.

Ein schwarzer Präsident?

Trotz einiger politischer Rückschläge, etwa bei seiner misslungenen Wahl als Kongressabgeordneter, entschließt er sich als US-Senator zu kandidieren. Er geht dabei jedoch einen Kompromiss mit seiner Ehefrau Michelle ein. Sie sieht Barack Obamas politische Karriere als große Belastung für die Familie, die sie eigentlich nicht weiter mitmachen will. Deshalb vereinbaren die beiden, dass er bei einem Scheitern seine politische Karriere beendet. Aber das Risiko zahlt sich aus, und Obama wird Senator für den US-Bundesstaat Illinois.

Sein tatsächlicher Durchbruch kommt dann 2004, als er auf dem Parteitag der Demokraten eine historische Grundsatzrede hielt, bekannt als „The Audacity of Hope“ (auf Deutsch „Die Kühnheit der Hoffnung“). Mit dieser Rede wird er landesweit bekannt und für viele ein Symbol der Hoffnung, vor allem für all jene, die auf Grund ihrer Hautfarbe und der damit einhergehenden Diskriminierung nicht an sich selbst glauben.

Hier ein Zitat aus der namensgebenden Stelle dieser Rede (wurde im Buch so nicht wiedergeben):

„Hope – Hope in the face of difficulty. Hope in the face of uncertainty. The audacity of hope! In the end, that is God’s greatest gift to us, the bedrock of this nation. A belief in things not seen. A belief that there are better days ahead.”

Quelle: Barack Obama 2004 DNC Keynote Address

Auf Deutsch:

„Hoffnung – Hoffnung angesichts von Schwierigkeiten. Hoffnung angesichts von Unsicherheit. Die Kühnheit der Hoffnung! Am Ende ist das Gottes größtes Geschenk an uns, das Fundament dieser Nation. Ein Glaube an das Unsichtbare. Ein Glaube daran, dass bessere Tage vor uns liegen.“


Obama nützt diese Bekanntheit, um seine zuerst relativ aussichtslose Präsidentschaftskandidatur zu starten. Er fährt anschließend eine sehr erfolgreiche Strategie mit der intensiven Verwendung der damals noch neuen Social Media, der Schaffung einer Grassroots-Bewegung und der massiven Unterstützung durch Kleinspender. So schlägt er zuerst die favorisierte Hillary Clinton in der Vorwahl und dann den Republikaner John McCain in der Präsidentschaftswahl.

Entscheidungsprozesse

Obama legt großen Wert auf den Prozess der Entscheidungsfindung. Er unterstreicht stets die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung von Alternativen und der Berücksichtigung von Gegenstimmen. Während der von seinem Vorgänger geerbten Wirtschaftskrise sieht er sich vielen „Pest-oder-Cholera-Entscheidungen“ gegenüber: Oft ist er aufgrund der Umstände gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die er selbst nicht ideal findet, etwa dass Bank-CEOs und andere Krisenverursacher viel zu wenig negative Konsequenzen für ihre Fehler tragen müssen. Dank des Buches kann ich seine damaligen Entscheidungen zum Umgang mit den Wall Street-Größen viel besser nachvollziehen. Persönlich war das nämlich immer eine Entscheidung von Obama, die ich eher negativ sah. Denn aus liberaler Sicht ist es eigentlich ganz klar, dass jeder unabhängig von Macht und Einfluss für seine Fehler die Verantwortung tragen muss.

Bei seinen Entscheidungen zur Durchführung des Irak-Abzugs einerseits und zur Verstärkung der Truppen in Afghanistan andererseits wird seine sorgfältige Entscheidungsfindung deutlich, die auf den ersten Blick vielleicht paradox wirken mag. Obamas Überraschung über den Erhalt des Friedensnobelpreises und sein Bewusstsein, dass auch ein Friedensnobelpreisträger Kriege beginnen muss, um beispielsweise Massaker in Libyen oder dem Irak zu verhindern, zeigen seine komplexe Sicht auf Führungsverantwortung.

Fundamentalopposition und irrelevante Nachrichten

Obama beschreibt im Buch deutlich seine Frustration über die politische Polarisation, die zu einem Stillstand in Washington geführt hat. Trotz einer anfänglichen deutlichen Mehrheit in beiden Kammern hat die Obama-Regierung entschieden, nicht zu parteiisch zu agieren, um Raum für Kompromisse zu lassen. Dennoch verweigerten die Republikaner jegliche Zusammenarbeit und stellten sich auf eine kompromisslose Linie ein, die von ihrem Anführer, Senator McConnell, mit harter Hand durchgesetzt wird. Er setzt kooperationsbereite Republikaner unter erheblichen Druck, bis sie jegliche Zusammenarbeit mit den Demokraten einstellen. Dabei kann die republikanische Führung auf die Unterstützung einer immer weiter radikalisierten Basis und strategischer Großspender vom äußersten rechten Rand zählen.

Auf der anderen Seite thematisiert Obama auch die Rolle der Medien, die oft den Fokus auf völlig unwichtige Themen legen, wie etwa „Pin-Gate“ – Obama hatte im Wahlkampf zeitweise keinen Pin mit der amerikanischen Flagge am Sakko getragen – und andere künstlich aufgebauschte „Skandale“. Er beklagt sich über die große Aufmerksamkeit, die absurden Verschwörungstheorien wie der „Birther“-Bewegung geschenkt wurde. Dabei ging es um die offensichtlich widerlegbare Behauptung, dass Obama in Kenia geboren ist und gar kein amerikanischer Staatsbürger sei. Die „Birther“-Bewegung wird sich dann später als wichtiges Sprungbrett für die Präsidentschaft von Obamas Nachfolger, Donald Trump, herausstellen.

Empfehlung

Insgesamt präsentiert sich „Ein verheißenes Land“ von Barack Obama als faszinierendes Buch, welches besonders dafür geeignet ist, das Verständnis dafür zu schärfen, dass Entscheidungen in der Politik oft komplexer und schwieriger sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Kritisch lässt sich vor allem anmerken, dass – wie bei den meisten selbstverfassten Biografien – auch dieses Buch viele Dinge deutlicher müheloser erscheinen lässt, als sie es in der Realität waren.

Für Fans des Buches empfiehlt sich „Becoming“ und „Das Licht in uns“ von Michelle Obama, die aus der Perspektive als First Lady ihre Erfahrungen im Weißen Haus schildert.